Übersicht Lehrveranstaltungen

PSYCHOANALYTISCHE SOZIAL- UND KULTURWISSENSCHAFT

WS 2023/24 - WS 2025/26 (zweiter Durchgang)

WS 2023

GRUNDLAGEN DER PSYCHOANALYTISCHEN KULTUR- UND GESELLSCHAFTSTHEORIE I:

EINFÜHRUNG IN DIE FREUD’SCHE KULTURTHEORIE

Lehrveranstaltungsleiter: Victor Blüml & Daru Huppert

Inhalte

In diesem Seminar werden die Grundlagen der Freud‘schen Kultur- und Gesellschaftstheorie erarbeitet. Die wesentlichen Schriften Freuds zu diesem Thema werden im Überblick dargestellt und exemplarisch einige Werke vertieft gelesen. Vermittelt wird, wie Freud seine klinisch-psychoanalytischen Erkenntnisse auf die „kulturelle Sexualmoral“, die Urgeschichte, Krieg und Gewalt, sowie auf Massenpsychologie und Führerkult ausdehnt und vertieft. Bei den späteren kulturtheoretischen Schriften Freuds geht es darum, zu lernen, welche Möglichkeit die Psychoanalyse für die Religions- und Gesellschaftsanalyse sowie für Gesellschaftskritik eröffnet.

Literatur

Die definitive Literaturliste wird den SeminarteilnehmerInnen zu Beginn des Semesters bekannt gegeben. Grundlage sind die kulturtheoretischen Primärtexte Freuds, von denen einzelne exemplarisch genauer untersucht werden, darunter bspw.:

Freud, Sigmund (1908d): Die „kulturelle“ Sexualmoral und die moderne Nervosität. GW VII, 143-167.

Freud, Sigmund (1912-13a): Totem und Tabu. GW IX.

Freud, Sigmund (1921 c): Massenpsychologie und Ich-Analyse. GW XIII, 71-161.

Freud, Sigmund (1927c): Die Zukunft einer Illusion. GW XIV, 325-380.

Freud, Sigmund (1930a): Das Unbehagen in der Kultur. GW XIV, 419-505.

SS 2024

GRUNDLAGEN DER PSYCHOANALYTISCHEN KULTUR- UND GESELLSCHAFTSTHEORIE II:
ANSÄTZE IM DEUTSCHEN UND ANGLOSÄCHSISCHEN SPRACHRAUM

Lehrveranstaltungsleiter: Fritz Lackinger, Franz Oberlehner & Johann Schülein

Inhalte

Im zweiten Teil dieses Moduls geht es um die kulturtheoretischen Positionen der nach-freudianischen Psychoanalyse und Sozialphilosophie im deutsch- und englischsprachigen Raum. Vorgestellt und untersucht werden zunächst psychoanalytische Modelle zum Verständnis einfacher Gesellschaften (unter Rückgriff auf Arbeiten von Erikson und Parin & Morgenthaler) im Vergleich zur Struktur modernen Gesellschaften (Mitscherlich, Sennett, Ehrenberg). Anschließend geht es um psychoanalytisch inspirierte Verstehensweisen von autoritären Bewegungen und Bewusstseinsformen (Reich, Fromm, Adorno, Kernberg, König, Zienert-Eilts), und schließlich um Theorien zur Innengeschichte der Technik (Anders, Turkle) und der emotionalen Finanzwirtschaft (Tucket). Dabei kommen als Lernformen jeweils eine Kombination aus individuellem Literaturstudium, Gruppendiskussionen, biografischer und historischer Kontextbildung und illustrierendem Filmmaterial zum Einsatz.

Überblicksliteratur

Die konkret zu bearbeitende Literatur wird den Seminarteilnehmer_innen nach der Anmeldung bekannt gegeben. Hier folgen nur ausgewählte Übersichtswerke:

Busch, Hans-Joachim (2001): Subjektivität in der spätmodernen Gesellschaft. Velbrück Wissenschaft.

Haubl, Rolf/Schülein, Johann (2016): Psychoanalyse und Gesellschaftswissenschaften. Stuttgart: Kohlhammer

Kernberg, Otto (1998): Ideologie, Konflikt und Führung. Stuttgart: Klett-Cotta.

Schülein, Johann August (2016): Soziologie und Psychoanalyse, Wiesbaden: Springer.

WS 2024/25

GRUNDLAGEN DER PSYCHOANALYTISCHEN KULTUR- UND GESELLSCHAFTSTHEORIE III:

ANSÄTZE IM FRANZÖSISCHEN SPRACHRAUM

Lehrveranstaltungsleiter: Ulrike Kadi

Inhalte

Mit anthropologischen Bezügen zu Marcel Mauss, Émile Durkheim und Claude Leví-Strauss hat sich die psychoanalytische Kultur- und Gesellschaftstheorie in Frankreich sowohl unter dem Einfluss von wie in Reaktion auf Jacques Lacans kreative Re-Lektüre Freudscher Schriften etabliert. Einzelne von Lacans eigenen Beiträge sowie deren affirmative wie kritische Rezeptionen (Markos Zafiropoulos, Michel de Certeau, Pierre Legendre, Paul Verhaeghe, Alain Ehrenberg, Paul-Laurent Assoun, Colette Soler u.a.) bilden das Zentrum dieses Modulteils, das nicht mehr als kleine Einblicke in eine große theoretische Landschaft vermitteln kann. Die Einführung wird am Beispiel der Auseinandersetzungen um Form, Funktion und Niedergang des Namens-des-Vaters (Lacan) erfolgen. Didaktisch wird dieser Teil des Moduls durch einführende Vorträge der Lehrveranstaltungsleiterin, kommentierte individuelle Lektüren einschlägiger Texte und multimedial angeregte (Gruppen)Diskussionen der TeilnehmerInnen zu ausgewählten Fragestellungen strukturiert.

SS 2025

PSYCHOANALYTISCHE FILMANALYSE UND MEDIENTHEORIE

Lehrveranstaltungsleiter: Elisabeth Skale & August Ruhs

Inhalte

Trotz ihrer gleichzeitigen Entstehung – 1895 erschienen sowohl die „Studien über Hysterie“ als auch die ersten tanzenden Bilder der Brüder Lumière – und obwohl der Traum durch seine Strukturanalogie mit dem Film zu den ersten Sujets im Kino zählte, kam es erst spät zu einer gegenseitigen Anerkennung von Psychoanalyse und Kinematographie. Als im Laufe der 1910er Jahre innerhalb der freudschen Lehre die Wirkung des Bildhaften für die menschliche Subjektentwicklung in den Vordergrund trat und damit ein wissenschaftliche Interesse am filmischen Genre geweckt war, war auch eine zunehmende Psychologisierung des Filmschaffens festzustellen. Das psychoanalytische Kammerspiel „Geheimnisse einer Seele“ aus dem Jahr 1925, das unter der Mitarbeit prominenter Analytiker entstand, gilt in dieser Hinsicht als erstes seriöses Dokument wechselseitiger Beziehungen. Filmtheoretische Positionen aus psychoanalytischer Perspektive bezogen sich zunächst auf identifikatorische Prozesse im Zuschauer (Doppelgängermotiv), auf formale Gestaltungsprinzipien im filmischen Narrativ, auf Gleichläufe von Film und Traum und auf den regressiven Aspekt des Kinoerlebnisses durch die Wiederbelebung von Urszenenphantasien und -erfahrungen. Wesentliche Impulse ergaben sich aus nachfolgenden Schulrichtungen mit verschiedenen und spezifischen Schwerpunktsetzungen, wobei die medientheoretischen und repräsentationslogischen Konzepte der strukturalen Psychoanalyse Lacans mit der Unterscheidung zwischen dem Dispositiv Kino und dem filmischen Diskurs weite Verbreitung gefunden haben. Darin inbegriffen sind auch feministische und genderspezifische Ansätze zu einer psychoanalytischen Blicktheorie mit besonderer Berücksichtigung der über den Kinofilm hinausreichenden gegenwärtigen Videokultur.

WS 2025/26

WISSENSCHAFTLICHES ARBEITEN UND WISSENSCHAFTLICHE METHODEN IN DER PSYCHOANALYTISCHEN SOZIAL- UND KULTURWISSENSCHAFT

Lehrveranstaltungsleiter: Fritz, Lackinger, Franz Oberlehner, Johann Schülein

Die LV vermittelt forschungsmethodische Kenntnisse an der Schnittstelle zwischen Sozialwissenschaft, Kulturwissenschaft und Psychoanalyse. In einem ersten Schritt soll ein Überblick über die qualitative Methodik in der psychoanalytisch orientierten Sozial- und Kulturforschung gegeben werden, wobei bestimmte charakteristische Grundprinzipien speziell beleuchtet werden: z.B. die Wechselwirkung zwischen Forschungsobjekt und Forschungsmethode, die Bedeutung der Subjektivität und der Selbstreflexion als Teil des Erkenntnisprozesses, aber auch die widerspruchsvollen Beziehungen zur empirischen Sozialforschung und die zunehmende Bedeutung von Triangulierung und mixed methods. Im Besonderen wird dann kritisch auf die Rolle der Hermeneutik im Kontext der Konzepte und technischen Prinzipien der Psychoanalyse (wie freie Assoziation, gleichschwebende Aufmerksamkeit, Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse) v.a. außerhalb des Settings der klassischen Kur eingegangen. Einen Schwerpunkt bildet das Konzept der Tiefenhermeneutik als auch für Masterarbeiten praktikable Methode der kritischen psychoanalytischen Sozial- und Kulturwissenschaft.

Überblicksliteratur:

Flick Uwe u.a. (2000): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt

König Hans-Dieter, Lorenzer Alfred (1986): Kultur-Analysen. Psychoanalytische Studien zur Kultur. Frankfurt: Fischer

König Julia u.a. (2018): Dichte Interpretation. Tiefenhermeneutik als Methode qualitativer Forschung. Wiesbaden: Springer

Rustin Michael (2019): Research the Unconscious. Principles of psychoanalytic method. New York: Routledge.