FREUD – Der Vorlesungszyklus (Semester 4)

In vier Semestern mit je rund 10 Vorlesungen widmet sich die Wiener Psychoanalytische Akademie ausschließlich dem Werk Sigmund Freuds, der zweifelsfrei zu den prägendsten Denkern des 20. Jahrhunderts zählt.
ACHTUNG: Reduzierter Preis auch für StudentInnen der Universität Wien.

Semester 4: UMWÄLZUNGEN DER THEORIE

31. Vorlesung: 27. September (Georg Augusta)
Psychose 1

Das Konzept des Narzissmus, das Freud in den frühen 1910er-Jahren ausarbeitete, hat sich als ungemein fruchtbar erwiesen. Es gestattet u.a. auch Einblick in die wohl rätselhafteste aller psychischen Krankheiten: in die Psychose. Als Senatspräsident Schreber, ein Zeitgenosse Freuds, aufschreibt und publiziert, was ihn während seines psychotischen Schubs bewegte, gelingt es Freud, die bizarren Gedankengänge zu entwirren.Welche Erkenntnisse gewinnt er? Geht es auch hier um psychische Konflikte? Und wenn ja – gibt es spezifisch psychotische Konflikte? Welche könnten das sein? Oder stehen Neurose und Psychose einander näher als gedacht? So eine Behauptung wäre mal wieder typisch für die Psychoanalyse!

32. Vorlesung: 4. Oktober (Georg Augusta)
Psychose 2

Im Lauf seines Lebens behandelt Freud zahlreiche psychotische und psychosenahe Patient*innen. Manche von ihnen sind in die Geschichte der Psychoanalyse eingegangen, etwa der „Wolfsmann“. An diesen Menschen gewinnt Freud Erkenntnisse, die er 1924 in zwei grundlegenden Texten formuliert. Ist Freud bei diesen Behandlungen erfolgreich? Wie kommt eine Psychose zustande, und warum? Gibt es nun einen grundlegenden Unterschied zwischen Neurose und Psychose oder nicht? Und – kann man Psychosen mittels Psychoanalyse heilen?

33. Vorlesung: 18. Oktober (Daru Huppert)
Die Identifizierung

Schon früh hat Freud sich mit der Identifizierung beschäftigt. Doch erst, als er erkennt, auf welche Weise Depressionen entstehen, treten ihre grundlegende Bedeutung und die ganze Vielfalt ihrer Funktionen in den Vordergrund. Die Identifizierung ist es, die uns auf spezifische Weise mit anderen Menschen verbindet, und sie spielt daher im klinischen wie auch im gesellschaftlichen Bereich eine enorme Rolle. Aber was ist Identifizierung eigentlich genau? Warum ist sie ein so grundlegender Mechanismus? Auf welche Weise ist sie am Aufbau unserer Psyche beteiligt? Wie trägt sie zum Zustandekommen von Depressionen bei – und welche Rolle spielt sie in gesellschaftlichen Prozessen?

34. Vorlesung: 22. November (Rainer Gross)
Gesellschaftstheorie

In einem bis dahin nie gekannten Ausmaß beeinflussen Massenphänomene im 19. Jahrhundert das gesellschaftspolitische Geschehen. Bereits mehr als ein Jahrzehnt vor der entscheidenden Wahl, die Hitler an die Macht bringt, beschäftigt Freud sich mit der Dynamik der Massen und greift dafür u.a. auf seine wachsenden Erkenntnisse über das Ich und die Identifizierung zurück. Wie erklärt Freud die Bildung einer Masse? Was bindet ihre Mitglieder aneinander? Warum neigen Massen so sehr zu irrationalem Verhalten? Und was macht es so lustvoll, Mitglied einer Masse zu sein?

35. Vorlesung: 29. November (Andreas Mittermayr)
Die Strukturtheorie

Um 1920 herum beginnt Freud, wichtige Teile der psychoanalytischen Theorie neu zu denken. Erforschte er zunächst vor allem das Unbewusste, so rückt jetzt das Ich mehr ins Zentrum seines Interesses. 1923 wird die Erkenntnis, dass der Großteil des Ichs unbewusst ist, systematisch ausgearbeitet: So entsteht die weit über die Grenzen der Psychoanalyse hinaus bekannte Strukturtheorie mit ihrer Gliederung der Psyche in Es, Ich und Über-Ich. Welche neuen Sichtweisen erlaubt dieses Modell? Was ist vom Über-Ich zu halten, das wir ja meistens skeptisch betrachten (vielleicht, weil es uns genauso betrachtet?!)? Wann ist es hilfreich und wann zerstörerisch? Stimmt es, dass das Ich ein armer Wicht und nicht Herr im eigenen Haus ist? Und wenn das stimmt – wozu machen wir dann eigentlich Therapie?!

36. Vorlesung: 6. Dezember (Andreas Mittermayr)
Angst

Die Strukturtheorie hat vertiefte Erkenntnisse über die Instanzen der Psyche gebracht. Dies veranlasst Freud, sich der Frage zu stellen, welche Rolle das Ich bei der Symptombildung und bei der Entstehung von Angst spielt. Dabei muss er sich eingestehen, dass seine theoretischen Annahmen nicht mit den Beobachtungen an seinen Patient*innen in Einklang zu bringen sind. So krempelt er sein bisheriges Konzept um und entwirft die sogenannte zweite Angsttheorie. Was ändert sich? Wo lag Freud falsch und wo nicht? Was kann die neue Angsttheorie erklären? Welche Rolle spielen die drei Instanzen bei der Symptombildung? Und haben all diese Erkenntnisse Auswirkungen auf seine Behandlungsmethoden?

37. Vorlesung: 13. Dezember (Daru Huppert)
Der Todestrieb

Freud hat sich bisher viel mit dem Streben des Menschen nach Lust, aber nur wenig mit seinem Zerstörungsdrang beschäftigt. Schon gar nicht konnte er sich dazu entschließen, der Aggression den Status eines Triebs zuzusprechen. Unüberwindliche Schwierigkeiten in der Behandlung mancher Patient*innen zwingen ihn jedoch, eine destruktive Kraft anzunehmen, die stark genug ist, die Suche nach Lust zu unterwandern. Freud antwortet auf diese Herausforderung – mit einer zweitenTriebtheorie. Sein Entwurf des Todestriebes ist so originell und so ungreifbar zugleich, dass jede Generation von Analytiker*innen sich aufs Neue skeptisch und fasziniert daran abarbeitet. Bleibt nur die Frage: Was ist der Todestrieb?

38. Vorlesung: 10. Jänner 2025 (Victor Blüml)
Äußerungsformen des Todestriebs

Als Freud 1920 seine Theorie von der Existenz eines Todestriebs vorstellt, erntet er keineswegs nur Zustimmung – zu obskur, zu abstrakt und wohl auch zu negativ wirkt sie. Freud aber findet sie so erhellend, dass er, wie er später schreibt, „nicht mehr anders denken kann“. Seine „weitausholende Spekulation“, die von biologischen Beobachtungen ihren Ausgang genommen hat, erweist sich als ungemein fruchtbar: KlinischeProbleme und Fragen der Kultur lassen sich mit ihr untersuchen und führen einmal mehr zur Revision bisheriger Annahmen. Wie manifestiert sich der Todestrieb in der Arbeit mit Patient*innen? Ist Todestrieb nur ein anderes Wort für Aggression? Wenn nicht – wie hängen beide zusammen? Und warum kann uns die fortschreitende Kulturentwicklung nicht glücklich machen?

39. Vorlesung: 17. Jänner 2025 (Victor Blüml)
Verleugnung und Spaltung

Manchmal versuchen wir, innere Konflikte auf eine Art und Weise zu „lösen“, die unsere Gesamtpersönlichkeit besonders stark beeinträchtigt. Gegen Ende seines Lebens beschäftigt sich Freud mit solchen Formen der Abwehr, die ihn erstaunen. Es sind dies in erster Linie Spaltung und Verleugnung, die einen „Einriss“ im Ich erzeugen bzw. sein Verhältnis zur Realität beschädigen. Unüberhörbar klingen hier Themen an, die von Melanie Klein, einer der bedeutendsten Analytiker*innen nach Freud, in einer ganz neuen Richtung weiterentwickelt werden. Was ist Spaltung, was Verleugnung? Wie erkennt man sie? Findet man sie nur bei sehr kranken oder auch bei relativ gesunden Menschen? Welche Bedeutung haben sie im Behandlungszimmer – und welche außerhalb?

40. Vorlesung: 24. Jänner 2025 (Sabine Schlüter)
Religion und Antisemitismus

In seiner letzten Schrift, die er erst im Exil – in seinem Todesjahr – zu publizieren wagt, greift Freud auf Konzepte zurück, die bereits in derFrühzeit der Psychoanalyse entstanden sind: Familienroman, Vatermord, Nachträglichkeit, das Trauma und seine Weitergabe. Einem Vermächtnis gleich entwickelt er aus diesen Elementen umfassende Überlegungen zu Religion, Antisemitismus und kultureller Überlieferung. Auch diesem Werk liegt eine „weitausholende Spekulation“ – diesmal auf historischem Gebiet– zugrunde. Historisch hat sich die Rekonstruktion geschichtlicher Vorgänge, um die Freud sich bemüht, nicht halten lassen. Die Klarheit undSchärfe, mit der er das Verhältnis von Christentum und Judentum sowie die Weitergabe von Traditionen analysiert, ist indessen von ungebrochener Aktualität.

Ort:
Sigmund Freud Museum
Berggasse 19, 1090 Wien

Foto von Sigmund Freud zur Lehrveranstaltung Freud - Der Vorlesungszyklus
Wir freuen uns auf ihre Anmeldung!
Veranstalter:  Wiener Psychoanalytische Akademie (WPA)
Zielgruppe: Interessierte an Psychoanalyse
Programmleitung: Sabine Schlüter
Referenten: Sabine Schlüter, Georg Augusta, Victor Blüml, Rainer Gross, Daru Huppert, Andreas Mittermayr
Preis der Veranstaltung: EUR 290,00
Reduzierter Preis: EUR 145,00
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